Postkoloniale Israelfeindschaft
Mein Protest gegen die Ruhrtriennale-Einladung von Achille Mbembe – Erläuterung und Dokumentation
Israel zieht viel Kritik auf sich, darunter auch sehr viel unfaire. Dafür gibt es inzwischen ein eigenes Wort: Israelkritik. Besonders ausgewiesene Athleten dieser Disziplin sind die Vertreter der BDS-Bewegung. Mit ihrem Ruf nach Boykott, Desinvestition und Sanktionen bilden sie eine besondere Ausprägung propalästinensischen Engagements. Spezifisch ist die Unterlegung dieses Engagements mit linken Ideologemen aus der antikapitalistischen, antikolonialen und antiimperialistischen Tradition. Es begreift sich als Teil der revolutionären Befreiungsbewegung gegen die vermeintliche Suprematie westlich weißer Herrschafts- und Wirtschaftsweisen. Daneben gibt es selbstverständlich auch konstruktive Unterstützung palästinensischer Interessen, die sich auch kritisch mit israelischer Politik auseinandersetzt, aber eben nicht Israel als Ganzes unfair diffamiert.
Die BDS-Solidarität mit den Palästinensern ist dagegen weit über die eigentlichen Konfliktlinien hinaus aufgeladen, als ein Kampf gegen das angeblich schlimmste koloniale ‚Projekt‘ unserer Zeit, dessen Legitimität in dieser Perspektive sehr grundsätzlich negiert wird. Genau diese Negation ist der Grund, von strukturellem Antisemitismus zu sprechen, weil mit der Delegitimierung des israelischen Staates auch seine Existenz in Zweifel gezogen wird.
Diese Formation lässt sich aktuell anlässlich des diesjährigen Programms der Ruhrtriennale beobachten. Als Eröffnungsredner ist der Soziologe und Philosoph Achille Mbembe eingeladen. Er ist in NRW gut bekannt, ausgezeichnet mit dem Gerda-Henkel-Preis, mit der Albertus-Magnus-Professur und ausgewiesener Experte im Feld des Postkolonialismus. Um Missverständnissen vorzubeugen: all das ist nicht Gegenstand meines Protestes.
Irritationen löste die Nachricht aus, er wäre auch ein Unterzeichner des akademischen Boykotts gegen Israel. Tatsächlich hat er den Boykottaufruf der Universität Johannesburg gegen die Ben-Gurion-Universität mit gezeichnet. Eine solche einzelne Unterschrift kann schnell überbewertet sein und es ist sicher klug, die genauere Ausformulierung von Achille Mbembes Haltung zu Israel zu würdigen. Wer mit dieser Frage sein Werk betrachtet, stößt allerdings schnell auf radikale Verurteilungen und verzerrende Darstellungen Israels und der Besatzung, die der Propaganda der BDS-Bewegung in nichts nachstehen und sie teilweise noch überbieten. Das ist Gegenstand meines Protestes.
Die Berichterstattung der letzten Tage zeigt eine weitgehende Unkenntnis dieses Teils von Achille Mbembes Werk. Offensichtlich wurde diese Seite bislang übersehen. Deshalb möchte ich gerne diese Grundlagen für meinen Protest transparent zur Verfügung stellen:
- Vorwort „On Palestine“ zu dem Sammelband: „Apartheid Israel. The Politics of an Analogy. Hg. v. Sean Jacobs u. Jan Soske (2015)
Der an Einseitigkeit kaum zu überbietende Text behauptet, es handele sich nicht um die südafrikanische Apartheid, sondern um eine viel tödlichere, high-tech-Variante davon. Abschließend heißt es „…sie [die Israelis] sind bereit bis zum Ende zu gehen: Blutbad, Zerstörung, stufenweise Vernichtung. Es ist Zeit für eine globale Isolation.“
- Aufsatz „Necropolitics“
Die Seiten 27 ff. zeichnen ein vollkommen einseitiges Bild des Konfliktes, das als Illustration einer weitreichenden Theorie des kolonialen, westlichen Herrschaftsmodells dienen soll, dessen Souveränitätsansprüche auf Disziplinierung, Gewalt und dem Recht zu töten (necropolitic) basiere.
- Aufsatz „society of enmity“
Entscheidende Passagen habe ich bereits in meinem offenen Brief an Frau Carp zitiert. Neben der auch hier völlig einseitigen Rekonstruktion des israelisch-Palästinensischen Konfliktes, halte ich nach wie vor die Bemerkung, die südafrikanische Apartheid und die Vernichtung der europäischen Juden seinen „zwei emblematische Manifestationen“ einer „Separationsphantasie“, für vollkommen unangemessen. (S.25)
https://www.radicalphilosophyarchive.com/issue-files/rp200_article_mbembe_society_of_enmity.pdf
Achille Mbembe hat in ersten Reaktionen Wert darauf gelegt kein Mitglied des BDS zu sein. Meines Wissens gibt es dort auch keine formale Mitgliedschaft. Seine Ausführungen sind dem BDS allerdings ideologisch eindeutig zuzuordnen. Die Forderung nach globaler Isolation ist sogar eine Überbietung.
Gegenüber der Jerusalem Post hat Achille Mbembe mir eine „unerbittlich rassistische Diffamierungskampagne“ vorgeworfen. Ich weise das entschieden zurück. Ich habe mit keinem Wort Bezug auf Achille Mbembes Person oder Herkunft genommen. Das liegt mir auch absolut fern. Vielleicht ist aber auch dieser Vorwurf ein Hinweis auf eine Argumentationsweise, die nicht auf Differenzierung setzt, sondern auf moralische Verurteilung.
Der Landtag NRW hat sich eindeutig gegen die antiisraelische Propaganda des BDS gestellt. Vor dem Hintergrund der hier ausgeführten Positionen von Achille Mbembe, halte ich eine Einladung als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale nach wie vor für nicht akzeptabel.